Umwelt & Nachhaltigkeit

Die ISO 50001 Zertifizierung

So profitiert Ihr Unternehmen von der internationalen Richtlinie für aktives und nachhaltiges Energiemanagement

6 Minuten03.02.2022

Energieversorgung ist für Unternehmen ein zentrales Thema. Gerade stromkostenintensive Unternehmen, wie zum Beispiel das produzierende Gewerbe, wollen sich günstig mit Strom versorgen, müssen jedoch den aktuellen Entwicklungen und Vorgaben gerecht werden. Durch aktives Energiemanagement nach der internationalen Norm ISO 50001 profitieren Unternehmen nicht nur von einer gesicherten und nachhaltigen Stromversorgung, sie können sich auch finanzielle Vorteile verschaffen. In diesem Artikel erhalten sie wichtige Fakten zu Aufbau und Anforderungen der ISO 50001 sowie dem konkreten Zertifizierungsprozess.

Ein Energiemanagementsystem nach ISO 50001

Der effektive Umgang mit Ressourcen rückt stärker in den Mittelpunkt. Insbesondere das Abkommen von Paris und das Ziel, die globale Erderwärmung auf unter 2 °C zu beschränken, haben dem Thema in den letzten Jahren enormen Nachdruck verliehen. Schädliche Klimagase müssen so schnell wie möglich reduziert und fossile Treibhausgasemissionen vermieden werden. Unternehmen brauchen eine günstige und gleichzeitig nachhaltige Form der Energieversorgung. Aktives Energiemanagement spielt dabei eine entscheidende Rolle. Der internationale Standard für Energiemanagementsysteme (EnMS) ISO 50001:2018 ist eine weltweit anerkannte zertifizierbare Norm zur Einführung und Aufrechterhaltung eines Energiemanagementsystems. Sie kann für Organisationen jeder Art und Größe genutzt werden.

EnMS haben zum Ziel, die energiebezogene Leistung einer Organisation fortlaufend zu optimieren. Dafür werden energieverbrauchende Prozesse und Anlagen gemessen, überwacht und gesteuert. Daraus abgeleitete Maßnahmen tragen dazu bei, energiebezogene Leistung gezielt zu verbessern. Dafür muss die Geschäftsführung entsprechende Ressourcen bereitstellen, Verantwortlichkeiten klar regeln und Prozesse angemessen dokumentieren. Auf diese Weise wird ein vorausschauender Umgang mit Energiethemen und den rechtlichen Anforderungen garantiert. Zudem können Unternehmen damit die Motivation der Mitarbeitenden stärken und Betriebskosten senken.

Konkrete Vorteile eines EnMS nach ISO 50001 für Ihr Unternehmen

Die Gründe, die für ein Energiemanagementsystem (EnMS) nach ISO 50001 sprechen, reichen vom Senken der Betriebskosten bis zu einer verbesserten Zusammenarbeit von Management und Mitarbeitenden. Die Hauptmotivation liegt bei den meisten Unternehmen jedoch in drei wesentlichen Teilbereichen: zum einen müssen sie rechtliche Auflagen erfüllen, können mit der Einführung eines Energiemanagementsystems aber gleichzeitig Umlage- und Steuererstattungen erhalten und die Energiekosten des Unternehmens senken.

Rechtliche Anforderungen einhalten

Das Energieleistungsgesetz (EDL-G) zur Effizienzsteigerung der EU-Mitgliedstaaten schreibt Unternehmen ab einer bestimmten Betriebsgröße vor, alle vier Jahre einen Energieaudit gemäß bestimmter Richtlinien durchzuführen. Die ISO 50001 übertrifft diese Richtlinien und deckt die rechtlichen Bestimmungen mit ab, sodass sich Unternehmen neben den Audits keine weitere Arbeit damit machen müssen.

Umlage- und Steuererstattungen

Unternehmen mit besonders hohen Stromkosten können durch die Zertifizierung mit ISO 50001 eine Reduzierung der EEG-Umlage, also der Umlage zur Förderung der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien, bewirken. Außerdem können Unternehmen des produzierenden Gewerbes sowie der Land- und Forstwirtschaft ihre Strom- und Energiesteuer um bis zu 90 % senken, wenn sie auf ein nachhaltiges Energiemanagementsystem setzen. Auch das Brennstoffemissionshandelsgesetz und die BEHG-Carbon-Leakage-Verordnung  halten einige Erleichterungen für ISO 50001 zertifizierte Unternehmen bereit. Vor allem produzierende Unternehmen mit hohem Stromverbrauch werden so entlastet und können ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern.

Energiekosten reduzieren

Die Einführung eines Energiemanagementsystems kann dazu beitragen, Energiekosten zu senken und das Unternehmen so nachhaltiger zu gestalten. Bereiche mit hohem Energieverbrauch liegen neben den unternehmensspezifischen Technologien, die beispielsweise in der Produktion benötigt werden, häufig bei Querschnittstechnologien, wie der Beleuchtung, Pumpen, Belüftung oder Druckluft. Außerdem werden Maßnahmen des Lastmanagements eingeführt, um zusätzliche Gebühren beim Anbieter, die durch eine hohe Belastungskurve entstehen, zu vermeiden. Ein vorausschauendes Energiemanagement beinhaltet auch den Energieeinkauf: Da der Markt oft schwer einzuschätzen ist und es zu Schwankungen kommen kann ist es wichtig, dass Unternehmen zumindest die marktunabhängigen Kosten wie Steuern, Umlagen und Abgaben im Griff haben.

  • Zum Energiemanagement zählt auch der vorausschauende Energieeinkauf. Unternehmen können sich so vor kurzfristigen Schwankungen am Energiemarkt schützen und durch stabile und günstige Strom- und Brennstoffpreise die Planungssicherheit erhöhen. | © Getty: stocknroll

Die Anforderungen der ISO 50001

Das Energiemanagement kann verschiedene Formen im Unternehmen annehmen, von punktuellen Energieaudits nach DIN 16249 bis hin zum systematischen Ansatz der ISO 50001:2018. Die ISO ist dabei die zentrale Norm im Bereich Energiemanagement und legt die Anforderungen fest, um ein EnMS einzuführen, zu implementieren, aufrechtzuerhalten und zu verbessern. Durch den PDCA (Plan, Do, Check, Act)-Ansatz soll die Organisation dazu befähigt werden, eine systematische und kontinuierliche Verbesserung der energiebezogenen Leistung – einschließlich Energieeffizienz, -einsatz und -verbrauch – zu erzielen. Um dies nachzuweisen, werden in der Norm konkrete Anforderungen definiert, die eine systematische daten- und faktengetriebene Bewertung der energiebezogenen Leistung ermöglicht. Der Nachweis darüber, inwiefern es zu einer Verbesserung gekommen ist, basiert auf dem Vergleich eines oder mehrerer bereinigter Messwerte: Liegt der Messwert unter der Ausgangsbasis, wurde Energie gespart.

Die High Level Structure (HLS) der ISO 50001

Die ISO 50001:2018 wurde im Vergleich zu ihrem Vorgänger aus dem Jahr 2013 in ihrer Struktur und ihren Inhalten grundlegend verändert und erweitert. Diese Veränderungen gehen auf die 2012 entwickelte High-Level-Structure (HLS) für Managementsysteme zurück. Die HLS bietet eine gemeinsame Terminologie und eine einheitliche übergeordnete Struktur, die auf dem Plan-Do-Check-Act (PDCA)-Zyklus basiert. Dieser beschreibt einen Regelkreis für ein sich selbst fortlaufend verbesserndes System. Auch alle anderen ISO-Managementsystemnormen wie beispielsweise ISO 9001 (Qualitätsmanagementsysteme), 14001 (Umweltmanagementsysteme) oder 45001 (Gesundheits- und Arbeitsschutz) sind mittlerweile auf Basis der HLS aufgebaut, was eine Integration verschiedener Managementsysteme erleichtert, da ein Großteil der geforderten Elemente sich sehr ähneln und nur einzelne Abschnitte themenspezifisch sind.

Die HLS umfasst insgesamt 10 Kapitel:

  • Kapitel 1–3 erläutern den Anwendungsbereich, normative Verweisungen und Begriffe
  • Kapitel 4-10 beschreiben die normativen Anforderungenfür eine Zertifizierung

PLAN

Kapitel 4 – Kontext der Organisation: Der Rahmen des Energiemanagementsystems wird durch die Definition des Kontextes der Organisation festgesetzt. Dafür müssen zunächst energierelevante interne und externe Themenfelder zum Beispiel mittels PESTEL-Methode (P= politic, E= economic, S= social, T= technologic, E= environmental, L=legal) und die damit verbundenen Stakeholder sowie deren Interessen analysiert und bewertet werden.

Kapitel 5 – Führung: Die Geschäftsführung trägt die Verantwortung für das Energiemanagementsystem. Durch die Formulierung einer Energiepolitik bekennt sie sich zu ihrer Aufgabe und unterstutzt das EnMS in allen Bereichen. Im Vordergrund stehen hier personelle und finanzielle Ressourcen. Für die Entwicklung und Aufrechterhaltung des EnMS beauftragt die Geschäftsführung in der Regel eine Person, die zusammen mit dem Energieteam das EnMS betreut.

Kapitel 6 – Planung: Die strategische Planung beinhaltet eine umfangreiche Risiken- und Chancenanalyse, die die Organisation auf zukünftige negative oder positive Ereignisse vorbereiten soll.

DO

Kapitel 7 – Unterstützung: Damit das Energiemanagementsystem seine geplante Wirkung entfalten kann, braucht es Unterstützungsprozesse. Dazu gehören personelle, finanzielle und materielle Ressourcen, die vom Energieteam geplant und von der Geschäftsführung bereitgestellt werden müssen.

Kapitel 8 – Betrieb: Innerhalb des Energiemanagementsystems müssen für alle Prozesse, die sich auf die energiebezogene Leistung der wesentlichen Energieeinsätze (SEUs: significant energy use) auswirken, Kriterien für deren Betrieb festgelegt, den relevanten Mitarbeitenden vermittelt und im Anschluss gesteuert werden. In der Praxis umfasst dies Verfahrens- und Arbeitsanweisungen für Managementprozesse wie die Durchführung von internen Audits, aber auch für den energieeffizienten Betrieb von Anlagen und deren Instandhaltung.

CHECK

Kapitel 9 – Bewertung: In der Check-Phase wird überprüft, ob geplante Elemente wie Aktionspläne und Energieprognosen wie erhofft eingetreten sind. Die Ergebnisse der Leistungsbewertung der Management-, Kern- und Unterstützungsprozesse bilden die Grundlage für den fortlaufenden Verbesserungsprozess, denn nur durch das Aufdecken und Korrigieren von Schwachstellen kann das Energiemanagementsystem seine Leistung verbessern. Die Bewertung erfolgt auf verschiedenen Ebenen und mit spezifischen Kriterien im EnMS. Die Überwachung, Analyse und Bewertung der energiebezogenen Leistung (z. B. Stromverbrauch von Anlage X) stellt die technische Komponente der Leistungsbewertung dar. Typischerweise werden die Energiekennzahlen dafür softwareseitig aufgezeichnet und vom Energieteam fortlaufend analysiert und bewertet.

ACT

Kapitel 10 – Verbesserung: In der ACT-Phase geht es um den Umgang mit Abweichungen und Nichtkonformitäten im Energiemanagementsystem. Diese können bei der regelmäßigen Überprüfung und Überwachung in Audits, Managementbewertungen oder im Tagesgeschäft auftauchen. Um Nichtkonformitäten in eine Verbesserung zu überführen, braucht es Korrekturmaßnahmen: Diese starten mit einer Sofortkorrektur und gehen anschließend in die Ursachenanalyse über, um derartige Fehler in Zukunft zu vermeiden. Die Maßnahmen zur Beseitigung der Ursache müssen im Anschluss auf ihre Wirksamkeit überprüft und angepasst werden. Sinn und Zweck ist die fortlaufende Verbesserung des Energiemanagementsystems. Diese müssen mittlerweile für die Zertifizierung nachgewiesen werden. Eine stetige Verbesserung zu gewährleisten ist unter Umständen schwierig, wenn Quick Wins bereits erzielt und weitere Maßnahmen unwirtschaftlich sind.

Der Weg zur ISO 50001 Zertifizierung

Für die Zertifizierung wird ein externes Audit durchgeführt, in dem eine Zertifizierungsgesellschaft die Konformität der betrieblichen Regelungen mit dem Normdokument abgleicht und bei erfolgreichem Audit ein Zertifikat ausstellt. Die Zertifizierung des Energiemanagementsystems folgt den Prinzipien der ISO 19011 und ist ein zweistufiger Prozess.

  • In der ersten Stufe werden die dokumentierten Informationen analysiert. Ergibt die Prüfung eine grundsätzliche Zertifizierbarkeit des Energiemanagementsystems, folgt Stufe 2.
  • In der zweiten Stufe wird vor Ort ein Audit durchgeführt, zusammen mit Interviews, Betriebsbegehungen und vertiefenden Dokumenten-Prüfungen.

Die Auditzeiten richten sich hierbei nach der ISO 50003 und hängen von der Größe, dem Energieverbrauch und dem Komplexitätslevel der Organisation ab. Das Zertifikat ist für einen Zeitraum von drei Jahren gültig. Nach dem ersten und zweiten Jahr wird ein Überwachungsaudit durchgeführt. Am Ende der Zertifikatslaufzeit steht ein Rezertifizierungsaudit an und ein neuer Zyklus beginnt. Grundsätzlich darf das Unternehmen die Auditierung durch Externe selbst wählen. Die Kosten für einen 3-jahrigen Zertifizierungszyklus liegen bei mindestens 10.000 €.

Checkliste ISO 50001 Zertifizierung

  • 1. Dokumentenprüfung

    Sichtung der dokumentierten Information (Remote), ob das EnMS zertifizierungswürdig ist

  • 2. Vor-Ort-Audit

    Prüfung der dokumentierten Informationen, ob diese die Tätigkeit sowie Normanforderungen angemessen widerspiegeln

  • 3. Abweichungen beheben

    Werden Abweichungen im Audit festgestellt, so müssen diese innerhalb einer Frist behoben werden

  • 4. Zertifikatsausstellung

      Erhalt der Zertifizierungsurkunde als Nachweis

  • 5. Überwachungsaudit

    Der Zustand des EnMS wird in einem Zeitraum von 2 Jahren 1/Jahr überwacht

  • 6. Rezertifizierungsaudit

    Nach 3 Jahren läuft die Zertifizierung aus und muss erneuert werden

Ein Ausblick in Richtung Nachhaltigkeit

Der Aufbau und Betrieb eines Energiemanagementsystems nach ISO 50001:2018 kann für Unternehmen der erste Schritt in Richtung Klimaschutz und Nachhaltigkeit sein. Dies werden sie vor allem durch Effizienzsteigerungen, Substitution von fossilen Brennstoffen durch andere Technologien und gegebenenfalls durch Änderung der vorherrschenden Konsummuster erreichen.

Viele Unternehmen kommen nach einer gewissen Zeit an einen Punkt, an dem Quick Wins erzielt sind und weitere Maßnahmen unwirtschaftlich erscheinen. Dann lohnt es sich, die Wertschöpfungskette über die Unternehmensgrenzen hinaus zu optimieren und den Fokus auf Bereiche zu legen, die mit einem Umweltmanagementsystem nach ISO 14001 oder EMAS behandelt werden können.

Noch einen Schritt weiter gehen Sie, wenn Sie im unternehmerischen Kontext auf Nachhaltigkeit setzen wollen: In diesem Zusammenhang ist der Begriff Corporate Social Responsibilty (CSR) zu nennen. Grundlage ist das nachhaltige Wirtschaften in ökonomischer, ökologischer und sozialer Hinsicht.

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